Fasten? Freiheit schlägt Verzicht.

Eines ist sicher: Eine Asketin werde ich in diesem Leben nicht mehr.

Fasten? Freiheit schlägt Verzicht - Herzfeld Coaching
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Und das ist gut so. Als ich mich 2018 nach langer Zeit wieder einmal zum Fasten entschloß, hatte ich eine rein gesundheitliche Motivation: Ich will meine Blutwerte verbessern und gesünder älter werden. Also eine ganz nüchterne Angelegenheit, dachte ich. Mein ’Warum’ ist klar und los geht´s. Ich arbeite häufig von zu Hause aus und bin z.Z. nur gelegentlich zu Tagungen unterwegs. Da passt die Intervall-Methode 16:8, d.h. innnerhalb 8 Stunden liegen alle Mahlzeiten, es folgen 16 Stunden einschließlich der Nacht mit keinerlei Nahrungsaufnahme. Es funktioniert! Nach zwei Wochen Gewöhnungszeit habe ich keine (leichten) Kopfschmerzen oder Schwindel mehr und fühle mich wohl genug, um mittelfristig dabei zu bleiben.
Fasten ist viel mehr als “Du sollst nicht…”

Ich bin überrascht, wie schnell mein Organismus sich anpasst. Ich lerne meine Reflexe im Essen und Trinken kennen. Wo der Magen knurrt, habe ich sonst etwas zu Essen besorgt. Wo ein kleiner Frust beim Arbeiten vorbeischaute, machte ich mir einen Milchkaffee. Aber jetzt genügt viel weniger, z.B. eine kleine Pause, ein Schluck Wasser und ich arbeite gut weiter. Dabei war ich überzeugt, dass ich den Snack oder das Coffein unbedingt brauche. Das stimmt nicht! Es sind diese Muster, die aus Gewohnheiten gefühlte und unumstößliche Wahrheiten machen: Das ist so, das braucht der Mensch, das hilft mir. Im ersten Moment ist der eingesparte Milchkaffee ein Verzicht, dann aber wird eine kleine Freiheit daraus. Oft bemerke ich diese Fahrt auf Autopilot nicht einmal. Das Fasten, auch in der komfortablen Version, stößt mich darauf. Ich brauche nicht alles, was ich meine zu brauchen.

Hinter der Suppe rechts warten Leadership-Qualitäten
Gefühlte Wahrheiten (“Glaubenssätze”) kann ich zurück verfolgen zu Gewohnheiten mit ihren scheinbar rationalen Begründungen. Hier setze ich ein Fragezeichen und die Musterunterbrechung beginnt. Da braucht eine menschenfreundliche Haltung, keine Wertungen, Verurteilungen, Härte oder maßlose ansprüche an mich selbst. Es braucht ein klares Warum, eine Entscheidung für die gewünschte neue Gewohnheit und ich bin mittendrin im meinen kleinen Selbstführungs-Camp. “Wer andere führen will, muß sich selbst sehr gut kennen” las ich neulich bei Pater Anselm Grün. Die Unterbrechung meiner Alltags-Muster verschafft mir Handlungsspielraum. Spielraum? Das klingt schon gut nach weniger von Druck, eingleisigem Denken und “das machen ich aber immer so”. Vor dem leeren Teller komme ich mit mir selbst in Kontakt. Fasten und Musterunterbrechung sind nicht einfach, aber durchaus machbar. Denn da schlägt die Freiheit den Verzicht um Längen — und das ist gut so.

Wer Lust auf Vertiefung hat, wird hier fündig:
Dr. med Matthias Riedl und Prof. Dr. med Andreas Michalsen zum Thema Fasten; Pater Anselm Grün: Menschen führen, Leben wecken, Münsterschwarzach 1998ff

Dieser Beitrag wurde auf medium.com am 30.03.2018 veröffentlicht.